Wichtig und richtig: Raumakustik macht Schule
Das deutsche Schulsystem leidet unter einem enormen Investitionsstau. Dabei sind umfassende Modernisierungen dringend nötig, um die Lehreinrichtungen architektonisch an die Bedürfnisse einer zeitgemäßen Pädagogik anzupassen. Der Raumakustik gilt in diesem Zusammenhang besonderes Augenmerk: Sie ist maßgeblich für die Sprachverständlichkeit und Aufenthaltsqualität und somit ein wesentliches Kriterium für den Lernerfolg. Architekt:innen und Planer:innen sind gut beraten, möglichst frühzeitig geeignete Akustikkonzepte zu erarbeiten, die optimal auf die verschiedenen Raumnutzungstypen zugeschnitten sind.
Aktuelle Herausforderungen, Regelwerke und Umsetzungsmöglichkeiten
Bröckelnder Putz und Räumlichkeiten, die den hohen Anforderungen moderner Bildungskonzepte nicht gerecht werden: Etliche deutsche Schulen sind grundlegend sanierungsbedürftig oder gar so veraltetet, dass ein Neubau in wirtschaftlicher und pädagogischer Hinsicht zielführender wäre. Laut dem KfWKommunalpanel 2021 beziffern Städte und Gemeinden den diesbezüglichen Investitionsrückstand auf rund 46,5 Mrd. Euro. Damit belegt das Schulwesen im Vergleich aller öffentlichen Investitionsbereiche den unrühmlichen Spitzenplatz – und zwar mit deutlichem Vorsprung auf den zweitplatzierten Sektor „Straßen“ (33,6 Mrd).
Öffentliche Schulträger stehen deshalb vor komplexen Herausforderungen: Erstens müssen sie trotz der klammen Haushaltslage ausreichend Mittel für benötigte Modernisierungen oder Neubauten beschaffen: Denkbar sind in diesem Zusammenhang etwa Kooperationen mit privaten Projektentwicklern und Investoren. Zweitens gilt es, funktionale Konzepte zu entwickeln, die den pädagogischen Bedürfnissen der jeweiligen Lehreinrichtungen bestmöglich entsprechen. Dafür ist es sinnvoll, dass sich Verwaltungen, Architekt:innen, Planer:innen und weitere Projektbeteiligte möglichst frühzeitig an einen Tisch setzen. Die Raumakustik als wesentliches Kriterium für eine ruhige und konzentrierte Arbeitsatmosphäre spielt dabei eine tragende Rolle.
Raumakustik als Teil der integralen Planung
Moderne Pädagogik-Konzepte setzen auf ein Wechselspiel aus Wissensvermittlung, Eigenarbeit, Bewegung und Freizeit, wahlweise im Klassenverbund oder in kleineren Lerngruppen. Auch steigt der Bedarf an Plätzen zur Ganztagsbetreuung. Erst kürzlich hat der Bundesrat zugestimmt, ab 2026 schrittweise einen entsprechenden Rechtsanspruch in Grundschulen einzuführen. Somit müssen nicht nur Klassen- und Projekträume, sondern praktisch alle Gebäudebereiche heutzutage mehr leisten als es ihrem Raumtitel zunächst abzuleiten ist.
Das gelingt jedoch nur, wenn die unterschiedlichen Nutzungen in der akustischen Planung berücksichtigt sind. Letztere sollte aufgrund komplexer Zusammenhänge mit anderen bautechnischen Anforderungen (z. B. Brand- und Wärmeschutz, technische Ausstattungen) bereits in Leistungsphase 2 diskutiert werden. Verschiedene normative Vorgaben bieten hierfür eine wichtige Grundlage. Sie alle verfolgen Ziele wie die effektive Senkung des Schalldruckpegels oder eine sehr gute Sprachverständlichkeit: Denn nur wenn das gesprochene Wort klar und problemlos verständlich ist, ist ein konzentriertes und effizientes Lernen möglich.
- der Arbeitsstättenregel ASR A3.7 „Lärm“ (März 2021)
- der Raumakustiknorm DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“ (März 2016)
Darüber hinaus gibt es weitere Leitfäden mit konkreten Schallschutzbestimmung für Schulen im deutschsprachigen Raum: für Österreich etwa die OIB-Richtlinie 5 „Schallschutz“ (2019) und die ÖNORM B 8115-3 „Schallschutz und Raumakustik im Hochbau“. Mit der SIA 181/1 wird zurzeit eine Norm für die Schweiz erarbeitet.
Ganzheitliches Akustikdesign
Häufig reichen theoretische Berechnungen allerdings nicht aus, um den individuellen Anforderungen einer modernen Lern- und Lehrumgebung gerecht zu werden. In diesem Fall bietet sich ein ganzheitlicher Ansatz im Sinne des „Activity Based Designs“ an, der die konkreten Tätigkeitsprofile von Räumen und Raumbereichen berücksichtigt. So fließen etwa schalltechnische Berechnungen im 3D-Modell in die Planung ein, um akustisch wirksame Flächen entsprechend einzuteilen. Grundsätzlich wichtig sind hierbei höchstabsorbierende Materialien an Decken und Wänden.
Praktische Umsetzung
Aufgrund der hohen Lärmbelastung in Schulen sind Produkte mit einem bewerteten Absorptionsgrad von αw = 0,9 oder höher ratsam – das entspricht Absorptionsklasse A (DIN EN ISO11654). Sie sollten sich außerdem baulich, funktional und ästhetisch in die jeweilige Lernumgebung einpassen:
Klassenzimmer: Unterrichtsräume müssen heute viel mehr Aktivitäten abbilden können als früher. Auch sind sie mit wesentlich mehr technischem Equipment ausgerüstet, so dass die Anzahl potenzieller Lärmquellen deutlich zugenommen hat. Gleichzeitig sind die generellen Anforderungen an die Sprachverständlichkeit gestiegen – unter anderem weil deutlich mehr Fremdsprachen gelehrt werden und die sprachlichen Grundvoraussetzungen häufig sehr stark variieren.
Besondere Ansprüche an eine gute Raumakustik ergeben sich aber auch aus Hyperaktivitäten und Sensibilitäten, die bei Schüler: innen zunehmend zu beobachten sind, oder durch die Maskenpflicht im Zuge der Pandemie. Aber auch der Ansatz der Inklusion beinhaltet eine bestimmte raumakustische Qualität. Vollflächig verlegte Akustikdecken aus höchstabsorbierenden und nicht brennbaren Materialien sind ein Teil der Lösung. Um horizontale Schallfelder zu reduzieren und die normativen Vorgaben der DIN 18041 zu erfüllen, bedarf es zusätzlicher Wandabsorber an idealerweise zwei aneinander liegenden Wänden. Hier bieten sich Produkte an, die den Unterricht in praktischer Hinsicht unterstützen, etwa, weil sie sich als Pinnwand verwenden lassen.
Pausenhallen, Treppenhäuser, Mensen: Starkfrequentierte Bereiche wie diese gilt es, akustisch wirksam von Klassen- und Lehrerzimmern abzugrenzen. Darüber hinaus sollen sie selbst eine hohe Aufenthaltsqualität garantieren, da sie als Orte der Entspannung und Erholung wichtiger Bestandteil der modernen Pädagogik sind. Die Kombination Decke und Wand ist deshalb auch hier maßgebend, um die Zielwerte der DIN18041 und ASR A3.7 zu erreichen. Für Pausenhallen und Treppenhäuser empfehlen sich robuste Akustikmaterialen, in Mensen und Speiseräumen sollte ein besonderer Fokus auf der Hygiene und Reinigungsfähigkeit liegen.
Sporthallen: Ein hoher Geräuschpegel führt dazu, dass Anweisungen schwer verständlich sind und die Stimme des Lehrers schnell ermüdet beziehungsweise auf Dauer immens leidet. Trennvorhänge zwischen einzelnen Gruppenbereichen sollten daher keine Schallnebenwege zulassen. Außerdem sind schallabsorbierende Maßnahmen wie ballwurfsichere Akustikdecken oder Wandabsorber erforderlich. Raumakustische Planungsziele für Sport- und Schwimmhallen gibt die DIN 18041 mit der Nutzungsart A5 „Sport“ vor.
Mit gutem Beispiel voran
In zeitgemäßen Lehrreinrichtungen finden sich darüber hinaus viele andere Raumtypen: beispielsweise Multifunktions-, Gruppen- und Inklusionsräume sowie offene Lernbereiche. Sehr gute Referenzen stellen in diesem Zusammenhang die Oberschule Artland in Quakenbrück (Neubau) und die Beruflichen Schulen des Werra-Meißner-Kreises in Witzenhausen (Bauen im Bestand) dar. In beiden Fällen ist es gelungen, das pädagogische Konzept ins Raumprogramm zu übertragen. Eine umsichtige akustische Planung beziehungsweise ein hochwirksames Akustikkonzept bildeten jeweils die Grundlage für eine funktionierende Nutzung.