Die Akustik ist entscheidend
Spitzenmanager Philip Vanhoutte kennt das größte Problem in modernen Bürogebäuden: die Akustik. In seinem Buch „The Smarter Working Manifesto“ hat der 60-jährige Senior Vice President von Plantronics Europe & Africa zahlreiche Fakten zu diesem Thema zusammengetragen. „Die neue Arbeitsweise setzt ein anderes Denken voraus, die alten Regeln gelten nicht mehr.”
Tatkräftige Kollegen, die gern arbeiten. Eine höhere Produktivität. Zufriedene Kunden. Nur halb so viele Krankentage. Es gibt keinen Manager, der sich solcher Erfolge nicht gern rühmen würde. Bei Plantronics hat es geklappt. Das liegt am „New Way of Working“, den das multinationale Unternehmen konsequent umsetzt – sogar in die Raumgestaltung. Wirbelwind Philip Vanhoutte hat das Konzept angestiftet. Sein Akzent verrät seine flämischen Wurzeln, doch der Spitzenmanager fühlt sich überall auf der Welt zu Hause. Vanhoutte findet sich auf dem ganzen Globus problemlos zurecht, in Kalifornien, in London und auch in der kleinen holländischen Stadt Hoofddorp. Seit über 35 Jahren wirbelt er wie ein Tornado durch die Welt der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die neue Arbeitsweise musste er nicht erst entwickeln. Er kennt keine andere. |
Über Philip Vanhoutte Aktuelle Funktion: Senior Vice President und Geschäftsführer von Plantronics Europe und Africa Berufliche Leidenschaft: Weltweit seine Ideen für „intelligenteres Arbeiten“bekannt zu machen. Motivation: Mitarbeiter selbst entscheiden zu lassen, wo und wann sie arbeiten. Und Arbeitgebern dabei helfen, eine optimale Arbeitsumgebung für ihre Teams zu schaffen. Die besten Ideen: Kommen beim Fahrradfahren. Fasziniert von: Der Macht der Musik. Vanhoutte ist auch als „Biz DJ“ bekannt, weil er sich mit der Frage beschäftigt, welche Umgebungsmusik die Konzentration fördert und die Produktivität steigert. |
Flexibles Arbeiten
In den achtziger Jahren begann Vanhoutte seine Karriere als Berater für Büroautomatisierung bei Accenture und Wang Labs. Die Notebook-Revolution machte er in den Büros von Dell mit. An einem Desktopcomputer hat er nie gearbeitet. Er nahm seine Arbeit überall mit, egal wo er gerade war, morgens auf einer Strandbank in Santa Cruz oder mittags in einem Restaurant in Amsterdam. Als Marketingchef von SonyEricsson präsentierte er zu Beginn des neuen Jahrtausends das allererste Smartphone mit Bluetooth-Schnittstelle. Seine Liebe zur Technik und die Begeisterung für flexibles Arbeiten brachte ihn 2003 zu Plantronics.
|
Metamorphose
Mittlerweile haben alle Büros des multinationalen Konzerns eine Wandlung durchgemacht. Vanhoutte: „Früher musste sich der Mitarbeiter an das Bürogebäude anpassen, heute ist es genau umgekehrt: Die Büroumgebung hat sich an die Wünsche und Bedürfnisse des Nutzers angepasst. Dabei spielt die Akustik eine zentrale Rolle. Bei Plantronics begannen wir 2010, als sich die Firma von drei Bürogebäuden auf eines verkleinern musste. Das war etwas völlig Neues für uns. In der gleichen Zeit bat mich Tim Oldman (heute CEO von Leesman), Versuchskaninchen für ein Projekt zu spielen, das Beschwerden und Vorschläge von Mitarbeitern auswerten sollte. Dazu mussten alle 350 Mitarbeiter einen digitalen Fragebogen ausfüllen. Und wissen Sie, was wir dabei gelernt haben? Einer von drei Mitarbeitern würde seine Verwandten und Freunde nie zu sich auf die Arbeit einladen. Und einer von zwei Mitarbeitern in Deutschland war so gestresst von der Akustik am Arbeitsplatz, dass die Konzentration erheblich litt. Das war ein echtes Aha-Erlebnis für uns.” |
Über Plantronics Plantronics: Marktführer bei mobiler Audiotechnologie Plantronics begann 1961 mit der Entwicklung von Headsets für die Luft- und Raumfahrt. Plantronics entwickelte 1983 Headsets für Call Center. In den Neunzigern wurden die Innenohr-Modelle geboren, gefolgt von den schnurlosen Headsets. Seit dem Jahr 2000 sind die Headsets zunehmend ergonomischer geworden. Es wird mehr Aufmerksamkeit auf die Sprachverständlichkeit und Reduzierung von Hintergrundgeräuschen gerichtet. Plantronics hat mehr als 3.000 Mitarbeiter weltweit mit Büros in 19 Ländern |
Vier Akustikzonen
Vanhoutte hatte sich für einen revolutionären Ansatz entschieden und die Büros in Europa kamen zuerst dran. Möglichst viele Wände, Türen und Flure wurden rückgebaut, weil sie nur Platz wegnahmen. Dann ließ Vanhoutte schallabsorbierende Decken einbauen und auf die Wände einen schallabsorbierenden Schaum auftragen.
“Wir haben den Raum in vier Akustikzonen aufgeteilt. Jede Zone hat eine andere Funktion: Konzentration, Kooperation, Kommunikation oder Kontemplation.
Ja, genau, wir haben sogar einen Raum, wo sich die Mitarbeiter zurückziehen können, um zu meditieren, Musik zu hören oder ein Nickerchen zu machen. Konservative Manager mögen das für Zeitverschwendung halten, aber das ist Unsinn. Als Sportler weiß ich, dass man Energie braucht, um Leistung zu bringen. Es bringt nichts, die Leute einfach zur Erschöpfung zu treiben.”
Akustische Intelligenz
Auch die Plantronics-Kundenkontaktzentren in Europa und den USA wurden umgestaltet. Vanhoutte erklärt: „Wir haben eine Reihe von Akustik-Intelligenz-Messungen gemacht. In einem Raum, in dem viele Menschen telefonieren, führt ein hoher Geräuschpegel schnell zu Müdigkeit und Stress. Also haben wir die Tische und Stühle kreisförmig angeordnet, damit die Leute nicht in Reihen sitzen. Der Nachhall hat sich dadurch merklich reduziert. Auf drahtgebundene Systeme verzichten wir vollständig, wir arbeiten ausschließlich mit Skype for Business und drahtlosen Headsets. Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wo und wann sie arbeiten. Wichtig ist allein, dass sie Erfolge vorweisen können, dass sie möglichst viel zu Kosteneinsparungen beitragen und ihre Umgebung respektieren. Das ist für mich die neue Freiheit.”
Bessere Gesundheit
Vanhouttes Bemühungen für die „neue Freiheit“ wurden belohnt. Von der UK Contact Centre Association wurde er für sein revolutionäres Lebenswerk ausgezeichnet. Jetzt setzt er sich dafür ein, dass Architekten die Raumakustik von Bürogebäuden bereits bei der Planung beachten. „Momentan wird dieser Aspekt vernachlässigt und die meisten Büroneubauten müssen schon kurz nach der Fertigstellung akustisch korrigiert werden. Das muss sich ändern. Die Klanglandschaftsgestaltung (Soundscaping) sollte genauso wichtig werden, wie die konventionelle Landschaftsgestaltung. Ein gutes Soundscaping steigert die Produktivität, schützt die Mitarbeiter vor Müdigkeit und trägt zu einer besseren Gesundheit bei. Davon bin ich fest überzeugt. Raum, Akustik, Arbeitsort, Arbeitsweise – das hängt alles miteinander zusammen. Vor kurzem haben wir eine Partnerschaft mit Mentally Fit begonnen. Das Institut hat das Motto ‘Manage your energy, not just your time’. Wir setzen uns dafür ein, dass es die Mitarbeiter so angenehm wie möglich haben.”
"Als Sportler weiß ich, dass man Energie braucht, um Leistung zu bringen. Es bringt nichts, die Leute einfach zur Erschöpfung zu treiben." Philip Vanhoutte.
Text: Aliëtte Jonkers
Foto: De Beeldredaktie